So viel Einigkeit war selten: Der Landtag Sachsen-Anhalts hat einstimmig die Förderung von Freifunkinitiativen beschlossen. Was bedeutet das? Wird nun der Breitbandausbau über Freifunk realisiert? Ergießt sich ein warmer Geldregen über die sachsen-anhaltinischen Freifunker?
Weit gefehlt. „Der Landtag begrüßt… Der Landtag unterstützt grundsätzlich…Der Landtag regt an… Die Landesregierung wird gebeten..“ – das war schon der ganze Beschluss. Wozu also die ganze Aufregung?
„Wir kennen freies WLAN von Dienst- und Urlaubsreisen und den gleichen Service müssen wir auch hier anbieten“ erklärt CDU-Abgeordneter Ulrich Thomas und sein SPD Kollege ergänzt „So ein Landtagsbeschluss öffnet Engagierten vor Ort Tür und Tor“.
Was verschwiegen wird ist, wem denn auf diesem Wege sonst noch so Tür und Tor geöffnet wird: All denjenigen, die über freie WLAN-Zugänge nicht nur Gutes im Sinn haben, wie auf diesem Wege beispielsweise Flüchtlingsunterkünfte anzuschließen. Weniger gute Dinge sind beispielsweise Internet-Betrug, das Herunter- oder Hochladen von verbotenen Inhalten oder Hacker-Angriffe, die über solche freien Zugänge gefahren werden.
Beispiele gefällig? Stellen Sie sich für einen Moment vor, Sie stellen Ihr WLAN ohne Kenntnis der Nutzer Ihrer Nachbarschaft zur Verfügung. Was würden Sie sagen, wenn ein großer Versandhandel Ihnen eine Lieferung zukommen ließe, die nicht Sie, sondern ein missliebiger Mitbürgerin Ihrem Namen bestellt hat. Oder stellen Sie sich vor, dass ein Fremder über Ihr WLAN und Ihren Internetanschluss z.B. kinderpornografisches Material herunterlädt – eine klare Straftat. Sicher ist, dass dann der Staatsanwalt an Ihrer Türe klingelt und Sie in der Pflicht wären zu beweisen, dass Sie selbst nicht der Straftäter sind. Solange Sie dies nicht können, sind Sie in der sogenannten ‚Störerhaftung‘, haften also für alle Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, die über Ihr WLAN und Ihren Internet-Anschluss begangen werden.
Nun muss man sich um das Risiko derjenigen Parlamentarier, die in ihrem Wahlkreisbüro (wohlgemerkt: nicht in ihrem Privathaushalt) Freifunk anbieten, wenig Sorgen machen – diese genießen ja bekanntlich strafrechtliche Immunität. Fatal ist allerdings, dass den Bürgern assoziiert wird, dass dies alles risikolos wäre und schon in Ordnung ginge. Hier wäre eine klare Risikoaufklärung für diejenigen (insbesondere jüngeren) Mitbürger ein Gebot der politischen Verantwortung – leider Fehlanzeige.
Natürlich wäre es auch denkbar, grundsätzlich einen Haftungsausschluss für alle ‚freifunkenden‘ Internet-Nutzer gesetzlich zu verankern. Wer dies möchte, sollte das tun – insbesondere sollten regierenden Parteien in Sachsen-Anhalt, die zufälligerweise auch die Bundesregierung stellen, nicht so tun als ob die entsprechenden Gesetze von fremden Mächten diktiert würden. Allerdings sollte in diesem Zusammenhang auch durch unsere Volksvertreter deutlich darüber gesprochen werden, ob eine Einschränkung der Verfolgbarkeit bestimmter Straftaten billigend in Kauf genommen werden soll, denn: wer das eine will, muss das andere mögen.